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Leserbrief Ungefiltert - das Schweigen der Mütter

  • Autorenbild: Mara Reinders
    Mara Reinders
  • vor 4 Tagen
  • 4 Min. Lesezeit

"Er sagte, ich sei zu emotional -dabei war er der, der drei Leben gleichzeitig führte"


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Liebe Mara,

Liebe Community,


ich weiß nicht, wie man so etwas „richtig“ anfängt.

Vielleicht gibt es dafür keine perfekte Einleitung.

Vielleicht muss man einfach springen, bevor man wieder kneift.

Ich bin 36.

Mama von zwei Kindern – 7 und 4.

Und bis vor ein paar Monaten dachte ich wirklich, ich hätte das Leben einigermaßen „im Griff“.

Nicht perfekt. Nicht Instagram-fähig.

Aber wir waren ein Team. Dachte ich.

Heute erzähle ich euch etwas, das ich lange verschluckt habe.

Es frisst mich auf – und gleichzeitig brauche ich, dass es rauskommt.

Damit ich es nicht mehr allein tragen muss.


Der Anfang vom Ende – den ich damals nicht erkannt habe

Mein Mann, nennen wir ihn Tom, war immer charmant.

So ein Typ, der in einer Runde gerne im Mittelpunkt stand, ohne dass man es ihm übelnehmen konnte.

Er lachte laut, diskutierte gern, konnte Menschen sofort für sich einnehmen.

Ich dagegen?

Eher ruhig.

Organisiert.

Mama-Modus 24/7.

Wir hatten keine Hollywood-Beziehung, aber ich dachte:

„Wir sind solide.“

Und ganz ehrlich?

Solide reicht im Alltag manchmal mehr als Feuerwerk.

Dachte ich.

Anfang des Jahres fing Tom an, später nach Hause zu kommen.

Er war „gestresst“, „überlastet“, „abgearbeitet“.

Er sagte Sätze wie:

„Ich brauche mal wieder Zeit für mich.“

„Du verstehst das nicht, du bist nur zuhause.“

Das „nur“ traf mich härter als jedes Problem, das wir vorher hatten.


Die ersten Risse – und das Gefühl, verrückt zu sein

Ich merkte, wie sich etwas veränderte.

Es war nichts Greifbares.

Nur… ein Schatten.

Eine Leerstelle zwischen uns.

Er war nicht aggressiv.

Er war nicht gemein.

Er war einfach… weg.

Emotional abwesend.

Körperlich ungeduldig.

Und ständig am Handy.


Wenn ich fragte, sagte er:

„Übertreib nicht.“

„Ich bin müde.“

„Du siehst Gespenster.“


Und irgendwann glaubte ich ihm mehr als mir selbst.


Der Moment, der alles zerbrach

An einem Donnerstag, als die Kids schon im Bett waren, ging ich ins Arbeitszimmer, um den Drucker neu zu starten.

Da sah ich es.

Sein Laptop war offen.

WhatsApp Web.

Der Chat blinkte noch.

Sie.

Eine alte Bekannte.

Jemand, den ich aus Playdates kannte.

Eine Frau, die bei uns im Wohnzimmer stand und meine Tochter auf dem Schoß hatte.

Ich klickte den Chat an.

Was ich las, fühlte sich an, als würde jemand mein Brustbein von innen zerbrechen.

Flirts.

Anspielungen.

Fotos.

Und dann ein Satz von ihm:

„Ich kann meinen Kindern nicht sagen, dass ich mich trennen will. Nicht jetzt.“

Ich saß einfach da.

Reglos.

Ich wusste nicht, wie lange.

Vielleicht eine Minute.

Vielleicht eine Stunde.

Ich ging ins Schlafzimmer, sah Tom schlafen und dachte:

„Du hast uns alle verraten.“


Der Blick der Kinder – der sich in mein Herz brannte

Ich machte das, was viele von uns machen:

Ich funktionierte.

Am nächsten Morgen packte ich Brotdosen, flocht Zöpfe, band Schuhe, küsste Stirnen.

Meine Tochter fragte:

„Mama, warum weinst du?“

Ich sagte:

„Mama hat schlecht geschlafen, mein Schatz.“

Sie streichelte meine Wange.

Ein kleines, warmes Händchen.

Ich schwöre, ich wäre fast auf dem Küchenboden zusammengesackt.


Der Versuch, die Wahrheit zu fassen

Ich sprach Tom am Abend an.

Er stritt es nicht mal ab.

Er sagte:

„Es war ein Fehler. Es bedeutet nichts. Ich war überfordert. Du warst nie da. Die Kinder waren so anstrengend.“

Ich war zu schockiert, um wütend zu sein.

Aber sein Satz:

„DU warst nie da.“

…hat mich wahnsinnig gemacht.

Ich, die Nächte durchwachte.

Ich, die meinen Job aufgab.

Ich, die alles zusammenhielt.

Ich war plötzlich die Schuldige in seiner Geschichte.

Ich fragte nach der anderen Frau.

Er sagte nur:

„Es ist vorbei.“

Ich wollte ihm glauben.

Wegen der Kinder.

Wegen der Familie.

Wegen allem, was wir waren.


Die Wendung – die mir den Boden unter den Füßen wegzog

Drei Wochen später bekam ich eine Nachricht.

Von einer unbekannten Nummer.

Es war die andere Frau.

Sie schrieb:

„Ich glaube, du solltest wissen, dass Tom nicht nur mich angelogen hat.“

Ich rief sie an.

Ich weiß nicht mal warum.

Vielleicht wollte ich einfach die Wahrheit hören – egal, wie hässlich sie war.

Aber ich war nicht auf das vorbereitet, was sie sagte:

„Er hat mir erzählt, dass DU ihn emotional missbrauchst.

Dass DU die Kinder manipulierst.

Dass ER das Opfer ist.

Und dass er eine Therapie macht, WEIL du so kalt bist.“

Ich schwieg.

Mir wurde schlecht.

Sie fuhr fort:

„Und… er trifft sich noch mit zwei anderen Frauen. Eine davon kenne ich nicht mal.“

Ich dachte, ich falle in ein Loch ohne Boden.

Ein Mann, der sein Doppelleben zum Dreifachleben erweiterte.

Der mich zur Täterin machte.

Der seine Familie als Schutzschild missbrauchte.


Er hatte eine komplette Parallelwelt aufgebaut.

Eine, in der ICH die Böse bin.

Eine, in der ER das Opfer ist.

Eine, in der uns alle belügt – nicht nur mit Fremdgehen, sondern mit Geschichten, die uns zerstören sollten.


Der Tag der Entscheidung

Ich habe ihn nicht angeschrien.

Ich habe nichts kaputt gemacht.

Ich habe einfach nur gesagt:

„Ich gehe nicht wegen der Affäre.

Ich gehe, weil du ein Fremder bist, der meine Kinder und mich benutzt hat, um dich selbst besser aussehen zu lassen.“

Er sagte, ich übertreibe.

Dass ich psychisch instabil sei.

Dass ich die Familie zerstöre.

Aber ich hatte meinen Beweis:

Nicht seine Chats.

Nicht die Screenshots.

Nicht die Nachrichten.


Sondern die Tatsache, dass meine Kinder eine Mutter brauchen, die stark ist – nicht eine, die an einem Mann zerbricht, der keine Grenzen kennt.


Heute – und was bleibt

Wir sind jetzt zu dritt.

Die Kinder und ich.

Wir haben weniger Geld, weniger Schlaf, weniger Sicherheit.

Aber wir haben etwas, das wir mit ihm nicht mehr hatten:

Frieden.

Manchmal wache ich nachts auf und frage mich, wie blind ich war.

Aber dann sehe ich meine Tochter, wie sie mir ihre Haarspange bringt.

Und meinen Sohn, der lacht, wie nur Kinder lachen können.

Und ich weiß:

Ich habe das Richtige getan.

Nicht nur für mich.

Sondern vor allem für sie.



 
 
 

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